Standpunkte
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Medizinische Versorgung im ländlichen Raum
Gesundheitsausgaben in Höhe von 441 Milliarden Euro im Jahr 2020 und 5,7 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen im Jahr 2019 verdeutlichen die zentrale Bedeutung des Gesundheitssystems. Aber können alle Bürger unseres Landes gleichermaßen davon profitieren? Die klare Antwort lautet NEIN.
Die Beschäftigung mit diesem Thema ist also nicht nur eine moralische, sondern auch eine staatliche Pflicht, da erforderliche Anpassungen der Daseinsvorsorge vorzunehmen sind, damit in gefährdeten Regionen zumindest eine Grundversorgung garantiert werden kann.
Was bedeutet Daseinsvorsorge?
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Diese umfasst Güter und Dienstleistungen, für deren Bereitstellung der Staat die Verantwortung übernimmt und dient dazu, Chancengerechtigkeit für alle Bevölkerungsgruppen zu sichern. Die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung ist ein essenzieller Bestandteil der Daseinsvorsorge.
Lebenserwartung und gesundheitliche Lebensqualität dürfen nicht vom Wohnort abhängig sein. Rettungsdienste, primärversorgende Ärztinnen und Ärzte, ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und weitere Leistungsanbieter im Gesundheitswesen sollten überall gleichermaßen in vertretbaren Distanzen zugänglich und qualitativ vergleichbar sein.
Probleme der ländlichen Gesundheitsversorgung
Es ist eine Tatsache, dass in ländlichen Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte weniger Einrichtungen der Gesundheitsversorgung vorhanden als in den Ballungszentren. Die geringe Bevölkerungsdichte hat zur Folge, dass die Einzugsbereiche der medizinischen Leistungserbringer (Krankenhäuser, Arztpraxen) groß sein müssen, damit sie kostendeckend und wirtschaftlich auskömmlich arbeiten können. Das wiederum führt zu langen Anfahrtswegen für die Patientinnen und Patienten.
Auch ist die Anzahl von Kindern und Jugendlichen in den genannten Gebieten häufig niedrig, so dass ein wirtschaftlicher Betrieb von Kinderarztpraxen und pädiatrischen Krankenhausabteilungen nicht immer möglich ist.
Aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge wird die Bevölkerung in Deutschland im Zeitraum bis 2060 weiter altern und zumindest mittelfristig schrumpfen.
Die größere Anzahl von älteren Menschen führt zu einer höheren Krankheitslast und einem höheren Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung in ländlichen Regionen. Hinzu kommt bei dieser Altersgruppe ein häufig gleichzeitiges Auftreten mehrerer Erkrankungen (Multimorbidität), die eine spezialisierte Versorgung erfordert, welche gerade in ländlichen Regionen Nicht oder nur an wenigen Stellen vorhanden ist. Dazu kommt die geringere Mobilität im ländlichen Raum auf Grund fehlender Infrastruktur.
Die Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum ist also deutlich teurer, wenn man auch nur annähernd gleiche Versorgungsverhältnisse schaffen möchte wie in den Zentren. Der Konflikt aus Gerechtigkeit (gleichwertige Lebensverhältnisse) und Effizienz (gleiche Versorgungskosten pro Kopf) ist kaum zu lösen.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Ein großer Teil der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung findet im ambulanten Sektor statt, also in Praxen von niedergelassenen Haus- und Fachärzten, Psychotherapeuten, Physio- und Ergotherapie-Praxen und Apotheken. Eine ebenso wichtige Rolle spielen die ambulanten Pflegedienste.
Da jedoch – gemessen an der Einwohnerzahl – weniger Ärztinnen und Ärzte als in urbanen Bereichen benötigt werden und diese sich meist in Städten konzentrieren, wird die Landbevölkerung durch zu wenig Leistungserbringer versorgt. Dadurch entsteht für einen Teil der Bevölkerung das Risiko eines eingeschränkten Zugangs zur medizinischen und pflegerischen Versorgung.
Es müssen als neue (innovative) Konzepte für eine gleichwertige medizinische Versorgung entwickelt werden, die möglichst allen Interessen gerecht wird.
Beispiele innovativer Versorgungskonzepte
Es ist unbestritten, dass es neuer Modelle und Strukturen bedarf, um die medizinische und pflegerische Versorgung der Einwohner im ländlichen Raum zu sichern. Es darf dabei keine „Denk-Verbote“ geben, sondern jede neue Idee, die zielführend ist und den Menschen, aber auch den Leistungserbringern vor Ort hilft, muss willkommen sein.
Vorstellbare Ansätze wären zum Beispiel:
Die Ausweitung telemedizinischer Leistungen in Form von Video-Sprechstunden, Überwachen von Vitalfunktionen wie z.B. Messen von Herzfrequenz, Blutdruck oder Körpertemperatur
Die Entwicklung einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen und Einrichtungen
Die Einbeziehung von Kliniken zur Bereitstellung bestimmter fachärztlicher Sprechstunden
Die regionale Vernetzung von Leistungserbringern, z.B. zwischen Hausarzt, Facharzt, Klinik und Apotheke
Eine vernünftige und patientenorientierte Standortplanung
Eine ausreichende Finanzierung neuer Versorgungsformen statt eines starren Festhaltens an lang hergebrachten Zuständigkeiten (wie z.B. das Festhalten an strikter Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung)
Es zeigt sich also deutlich, dass die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen große Herausforderungen mit sich bringt. Sie muss einen Kompromiss zwischen Erreichbarkeit sowie Finanzierbarkeit und Qualität herstellen. Ein zentraler Aspekt sind dabei Innovationen, die eine ortsnahe Versorgung erlauben, die Qualität sicherstellen und gleichzeitig die Kosten reduzieren.
Nur Krankenkassen werden in die Pflicht genommen
Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Anlässlich der Verabschiedung des Präventionsgesetzes durch das Bundeskabinett erklärt der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek):
Die Ersatzkassen unterstützen die Bundesregierung in ihrer Absicht, Prävention als wichtige Säule in der gesundheitlichen Versorgung zu stärken und die Bevölkerung bei Entwicklung und Ausbau von gesundheitsfördernden Verhaltensweisen zu unterstützen und gesundheitliche Risiken zu reduzieren. Allerdings bleibt das geplante Gesetz hinter diesen selbsternannten Ansprüchen zurück.
„Die Ersatzkassen stehen zu ihrer Verantwortung im Bereich Prävention.“ Allerdings sei in dem Präventionsgesetz kein umfassender und strukturierter Ansatz für eine nutzenorientierte Prävention unter gesamtgesellschaftlicher Verantwortung erkennbar. „Der Staat nimmt allein die Krankenkassen in die Pflicht, obwohl diese bereits heute schon mit 50 Prozent der Hauptfinancier in der Prävention sind. Prävention ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die neben dem Staat von allen Sozialleistungsträgern, der privaten Krankenversicherung und allen anderen beteiligten Akteuren getragen und finanziert werden muss“, so Elsner.
Nicht nachvollziehbar sei die unverhältnismäßige Erhöhung des Richtwertes für Leistungen zur Gesundheitsförderung von 3,01 auf sechs Euro je Versichertem. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kann diese Steigerung so kurzfristig nicht mit qualitätsgesicherten Angeboten umsetzen.
„Eine einfache Mittelerhöhung verbessert die Prävention nicht automatisch, – eine Ausgabensteigerung kann nur unter der Berücksichtigung langsam wachsender Strukturen vollzogen werden“, so Elsner.
Gar nicht nachvollziehbar sei der finanzielle Obolus in Höhe von rund 35 Millionen Euro, den die Krankenkassen an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu zahlen hätten.
IGeL-Leistungen häufig wirtschaftlich motiviert
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